Foto-Ausstellung: “You Don’t Carry The Water” (Köln, 1.9.2025-11.1.2026)

Foto-Ausstellung: “You Don’t Carry The Water” (Köln, 1.9.2025-11.1.2026)

Nachrichten über Dürren, Überschwemmungen, Wirbelstürme, monatelange Brände und die Zerstörungen, die sie in – auch menschlich besiedelten Gebieten – hinterlassen, sind mittlerweile Alltagsgeschäft. Die Berichterstattung in journalistischen Medien ist dennoch punktuell: Über geografisch näher gelegene Katastrophen wird eher und länger berichtet, oder solche, die gefühlt nah erscheinen, wie Kalifornien, als über solche, die in als abgelegen wahrgenommenen Weltregionen stattfinden. Fotos und Bewegtbilder dieser Katastrophen, die mit fortschreitender Klimaerwärmung häufiger und extremer werden, werden der in der (medien-) wissenschaftlichen Forschung als Klimabilder oder Klimavisualisierungen bezeichnet – der Begriff umfasst auch Infografiken, Datenvisualisierungen, Satellitenaufnahmen, kurz: alle Bilder, die relevant für das Thema Klimakrise sind. 

Forschung zu Klimabildern – etwa in den Medien- und Kommunikationswissenschaften – sind noch relativ selten. Sie nutzen beispielsweise (Bild-)Inhaltsanalysen oder befragen Rezipient*innen über affektive Wirkung von Klimabildern, auch in Zusammenhang mit persönlichem Interesse an der Umwelt. Aus Projekten aus Wissenschaft, Forschung und Nichtregierungsorganisationen sind digitale Klima-Bildsammlungen hervorgegangen, die im Sinne nachhaltiger Forschung zur weiteren Nutzung freigegeben sind (Climate Visuals der britischen NGO Climate Outreach Information Network sowie Affective Climate Images Database der Northern Michigan University.

Mein in der USB Köln ausgestellter visueller Essay „You Don’t Carry the Water“ (2023) nahm einen anderen Weg: Ich fotografierte die Zukunft. Ausgehend von vergleichenden Lektüren – Fachbeiträge aus den Klima-, Ökosystem- und Biodiversitätswissenschaften, der Soziologie, Politik- und Literaturwissenschaften – entwickelte ich meinen visuellen Essay im Rahmen meines DFG-Forschungsprojekts „Glokalisierung des digitalen Bildes: Ethik, Bildhandeln und Innovative Methoden“ als Exploration innovativer visueller Methoden. Im Fokus der Exploration visueller (Auto-) Ethnografie stehen herausfordernde gesellschaftliche Ereignisse, sowie die begleitende Erstellung von Texten, die die Positionalität der Urheber*in beinhalten und literarischere, essayistischere, kreativere Formen erlauben. Mit dieser Öffnung oftmals strenger Korsette in Aufbau und Argumentation, die je nach Disziplin und Fachjournal als besonders wissenschaftlich gelten, ermöglichen autoethnographische Formen in Bild und Text, Forschung in die Gesellschaft zu kommunizieren. 

Die Fotos entstanden während eines Workshops der Magnum-Fotografin Newsha Tavakolian in Lissabon, im Vorort Trafaria, den ich mit der Fähre erreichte. Die Idee war, eine postapokalyptische Welt zu visualisieren, in der die Klimakatastrophe schon zur Dürre geführt hat. Inspiriert war die Arbeit unter anderem durch JG Ballards Dystopie „The Drought“ (1962; Titel der deutschen Neuauflage 2023: Die Dürre), die als eine der ersten Climate Fictions gilt, sowie Nicolajs Schultz‘ Ethnografiktion „Landkrankheit“, einem auto-ethnografischen Essay über die Flucht des Ich-Erzählers aus dem siedendheißen Paris auf die Mittelmeerinsel Poquerolle, auf der die drängenden Probleme der Gegenwart wie unter einem Brennglas kulminieren, und nicht zuletzt durch das Zitat des Generalsekretärs der Vereinten Nationen von der COP27 im November 2022: „We are on a highway to climate hell with our foot still on the accelerator.“

In Trafaria fotografierte ich: rottende Holzboote, abgestellt in Straßen und auf Brachflächen, Hunde, die spärlichen Schatten nutzen, Lichtreflexionen auf dem Wasser, Details in den Fähren. Durch Editierung und Sequenzierung entstand die erste Fassung meiner Arbeit, die ich in Lissabon mit einem passend zu meinen Fotos verfassten Text präsentierte. Die in der Universitätsbibliothek ausgestellte Bilderserie „You Don’t Carry The Water” ist klassisch auf Fotopapier abgezogen. Der Begleittext steht am Ende und es bleibt den Betrachtenden überlassen, ihn zu lesen, und vielleicht nochmal zurück zu einzelnen Bildern zu gehen, in individueller Geschwindigkeit und individuellem Empfinden. Oder lediglich die visuellen Elemente der Arbeit auf sich wirken zu lassen, diese mit dem eigenen Erleben, dem eigenen inneren Archiv abzugleichen, oder sich auf Imaginationsreise zukünftiger Welten zu begeben. 

Es gibt weitere Versionen meines visuellen Essays, etwa einen analogen Fotobuch-Dummy, der unterschiedliche Größen der Fotos einsetzt und den Begleittext in Abschnitte innerhalb der Bildsequenz eingliedert. Digitale Bilder ermöglichen die Exploration verschiedener Präsentationsformate, beispielsweise als automatisch abgespielte Bilderfolge, die mit Untertiteln oder im Rahmen einer Live-Lesung mit Texten versehen sind, wie in Lissabon. Digitale Versionen habe ich als reine Online-Präsentationen mit remote-Publikum sowie als Live-Präsentation in einer Galerie und bei wissenschaftlichen Konferenzen der International Visual Sociology Association in Südkorea und der IAMCR in Singapur gezeigt. Den Text habe ich performativ gelesen, abgestimmt auf die Zeigedauer einzelner Bilder, einen gemeinsamen Rhythmus bildend. Fragen aus dem Publikum tauchten auf, die bei der Erstellung der Arbeit nicht angedacht waren – etwa: Wären visuelle Essays verknüpft mit gelesener oder gesprochener Poesie eine Option, die gefühlte Gleichförmigkeit von Auftritten auf wissenschaftlichen Konferenzen lebendiger zu gestalten? 

So haben sich aus meinem laufenden Fotoprojekt zu innovativen Methoden, mit digitalen Bildern in der Forschung zu arbeiten, neben Erkenntnissen für wissenschaftliches Fachpublikum Möglichkeiten der visuellen Wissenschaftskommunikation ergeben. Die fotografische Praxis an Schnittstellen von Dokumentation, qualitativer Forschung, der Herausarbeitung imaginativer Bilder und theoretischen Fragen nach Zukünften – digitaler Bilder, der Fotografie, des Planeten – bietet im Wortsinn neue Perspektiven, die durch alleinig am Schreibtisch und online stattfindende Datensammlung nicht erfahrbar wären. Die Ausstellung “You Don’t Carry The Water” bildet zugleich den Abschluss meiner sechsjährigen Forschungsarbeit im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Das digitale Bild“ (2020-2026).

Die Fotografien sind vom 1. September 2025 bis zum 11. Januar 2026 in den Roten Vitrinen im Erdgeschoss der Uni- und Stadtbibliothek Köln zu sehen (Link zur Ausstellungs-Seite).