Vormoderne Bausteine einer Theorie des digitalen Bildes

PROJEKTABSTRACT

Unter dem Eindruck der beispiellosen technologischen Bedingtheit digitaler Bilder neigt der Zeitgenosse gerne dazu, deren grundlegende Anders- und Neuartigkeit zu betonen. Aus einer umfassenderen historischen Perspektive betrachtet, erweist sich die Revolution der digitalen Bilder – so sehr sie derzeit auch als ‘game changer’ erscheinen mag – jedoch als nicht anderes als die jüngste Etappe in der langen Geschichte menschlicher Bildproduktion.
Die mediengeschichtlichen Stränge, die in den zeitgenössischen digitalen Bilderwelten ineinandergreifen, reichen nicht nur in die Neuzeit zurück (die Neuzeit wird in vielen der bereits im SPP “Das digitale Bild” geförderten Projekte aus verschiedenen Richtungen thematisiert). Viele Merkmale und Logiken digitaler Bilder finden sich schon in der griechisch-römischen Antike teils präfiguriert, teils grundlegend andersartigen Alternativen gegenüberstellt. Wie prägen die spezifischen Methoden antiker Bildpraxis und damit verbundene Theoreme und Begriffe die digitalen Bilder und Vorstellungen unserer Gegenwart? Und wie werden sie die digitalen Medien und ihre Nutzung in Zukunft prägen?

Konkret wollen wir diese Kernfragen unseres Projekts in drei Workshops und drei damit verbundenen Themenheften diskutieren, in denen die drei Teilprojekte realisiert werden: 1. “Der Mosaizist”, 2. “Interface und Maske”, 3. “Das technische Bild”. 
Die Projektstruktur soll eine Plattform bieten, die Diskussionen zum spezifischen Verhältnis von visuellen Kommunikationsformen in der Antike und den entsprechenden Formen in der digitalen Gegenwart ermöglicht. Unser Konzept beinhaltet Aspekte wie: ontologische Parallelen und Differenzen von Bild und Abbild in Antike und Gegenwart; ästhetische Paradigmen antiker und zeitgenössischer visueller Medien; die longue-durée des Bildapparates; linguistische und terminologische Annäherungen an das visuelle Kommunizieren; die komplexe Überlieferung visueller Paradigmen von der Antike bis zur Gegenwart; ethnologische und kulturanthropologische Vergleichsmethoden; vergleichende Studien zu Bildgebrauch und zur Bildmanipulation; antike philosophische und wissenschaftliche Konzepte von Visualität, Optik und Medien avant la lettre; visuelle Narrative, Transgressionen und Exzesse, um nur eine exemplarische Auswahl zu nennen.
Die Eigen- und Andersartigkeit antiker Visualität zu thematisieren und diskutieren soll schließlich zu einer neuen Theorie des digitalen Bildes beitragen. Die Workshops und Publikationen verstehen wir als Einladung speziell an die Teilnehmer von “Das digitale Bild”, sich mit grundlegenden Phänomenen der vormodernen Bildgeschichte auseinanderzusetzen, Phänomenen, die den Weg zu den Bildern auf den digitalen Bildschirmen unserer Gegenwart ebneten.

Team

Prof. Dr. Andreas Grüner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Dr. Julian Schreyer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg